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Thomastag in Nürnberg

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„Alte Noris, fest dich gürten“ – das Thomastag-Lied von Kbr. Willi Wach (CV)

Kalt ist es. Eiskalt. Und eindeutig zu früh. Zu früh, zumindest für jeden ordentlichen Farbstudenten. Sollte man jedenfalls meinen. Trotzdem sind dutzende Mützenträger am Bahnhof Nürnberg. Manche tapsen verkatert aus der Bahnhofshalle, andere wiederum schreiten aufrechten Ganges, zeigen stolz ihre Farben. Einige begrüßen sich überschwänglich, andere wiederum sehen sich kaum gegenseitig an. Es ist Freitagvormittag, Beginn des vierten Adventwochenendes. Die Feier des Thomastags beginnt.

Der Thomastag war bis 1970 der 21. Dezember. Dann wurde er durch die Einführung des Römischen Kalenders in den Juli verlegt, um den besinnlichen Charakter der abschließenden Adventwoche nicht zu stören. Immerhin war vor allem die Thomasnacht, also die Wintersonnenwende, mit den unterschiedlichsten Bräuchen und Aberglauben verbunden. Und viele davon waren nicht wirklich mit der stillen Zeit vereinbar.

Wie in jedem Jahr strömen Couleurstudenten aus allen Richtungen und allen Lagern nach Nürnberg. Noris, wie die Einheimischen ihre Stadt liebevoll nennen, liegt im Vorweihnachtsfieber. Der berühmte „Christkindlesmarkt“ quillt wie immer über von Touristen. Eine unüberschaubare Menge an Verkaufsbuden. Jede zweite scheint entweder Glühwein oder die typischen Nürnberger Rostbratwürste zu verkaufen. „Drei im Weggla!“ hört man immer wieder jemanden rufen.

Der Christkindlesmarkt, einer der berühmtesten und ältesten Weihnachtsmärkte der Welt,  ist nachweislich schon annähernd 400 Jahre alt. Und seit es im Umfeld von Nürnberg Universitäten gab, strömten deren Studenten an diesem Wochenende in die Noris, bevor sie ihre Reisen nach Hause antraten. Sie erledigten am Markt ihre Weihnachtseinkäufe und feierten die Thomasnacht gemeinsam mit der Bevölkerung.

Inzwischen ist es Abend. Immer mehr Farbenträger ziehen zum „Bermudadreieck“. Man lüftet den Deckel, wenn man einen anderen in Couleur sieht. Auch wenn dieser gerade aus einem der Etablissements an der Frauentormauer kommt, die zu diesem Ziel führt. Manche Ältere grinsend, Jüngere zumeist mit hochrotem Kopf. „Die Schlagenden bekommen hier oft ihren Fuchsenstich“, raunt ein Münchner einem Fuchsen grinsend zu. Höflich, aber distanziert grüßt man, denn alle Arten von Verbindungen sind hier am Thomastag.

Am Ende der Gasse liegt das sogenannte Bermudadreieck. Drei Türme in der Stadtmauer, umschlossen von einem gemeinsamen Innenhof. In jedem der drei Türme eine andere Studentenverbindung. Die nicht-schlagende Verbindung Technischer Club Nürnberg, je eine aus CV und Schwarzburgbund. Am Thomastag gilt Burgfrieden. Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder überall eingelassen wird, solange man sich in einem gewissen Rahmen zu benehmen weiß. Beinahe jeder Couleurstudent, der zum Thomastag kommt, landet irgendwann hier.

„Alles in den ersten Stock, zur traditionellen Spontankneipe!“ ruft ein Fuchs der K.D.St.V. Ostmark im CV. Seit etwa dreißig Jahren sei es hier Tradition, eine Spontankneipe am Freitagabend zu feiern, erklärt der Aktive Thomas Reinfelder. Der Ostmärker wurde selbst 2001 am Thomastag rezipiert. Vor einigen Jahren hat der Betriebswirt den Kommers seines Verbandes selbst geschlagen. Eine größere Gruppe auf der Kneipe bedauert, keine Karten für den Kommers bekommen zu haben.  Leider ist der schon seit Wochen ausverkauft. Aber es gibt ja genügend andere Veranstaltungen von christlichen Studentenverbindungen und Verbänden. Also wird kurzerhand beschlossen, gemeinsam den Schwarzburgbund-Kommers zu besuchen.

Beinahe alle größeren Verbände, die im Süddeutschen Raum vertreten sind, feiern am Samstag einen Kommers. Dazu kommt noch eine Reihe von Kneipen in unterschiedlichen Lokalen. Diese Kneipen veranstalten vor allem die älteren schlagenden Verbindungen. Ganz Nürnberg ist damit an diesem Abend von Korporierten bevölkert. Es wirkt wie eine Mischung aus C.V./CVV des CV und ÖCV, Pennälertag des MKV und Schweizer Zentralfest zugleich. Ein regelrechtes Familientreffen für den gesamten EKV.

„Der SB-Kommers hat einen Vorteil“, grinst der CVer Alexander Gottwald verschwörerisch. Lachend setzt der Jurist nach: „Er ist fast genau wie unsere Kommerse, aber wir können uns darüber lustig machen, wenn uns etwas nicht gefällt!“ Ein wahres Wort, die Stimmung unter den zahlreich anwesenden Farbstudenten ist hervorragend und zahlreich sind sie. So zahlreich, dass sogar der Bundesvorsitzende des Schwarzburgbundes, Wolfram Goller, besonders betont, wie sehr er sich über den Besuch der vielen Farbengeschwister aus anderen Verbänden freue. Besonders begrüßt er aber den ebenfalls anwesenden EKV-Präsidenten Gerhard Labschütz, der die Grüße des Verbandes übermittelt. Seine Worte, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen christlichen Verbindungen ist, finden großen Anklang bei der SB-Veranstaltung.

Am Sonntag folgt dann der eigentliche Zentralpunkt des Thomastages. Der gemeinsame Farbenbummel durch Nürnberg, bevor man gemeinsam Gottesdienst feiert, oder nach Hause fährt. Wieder ist es kalt. Und wieder ist es viel zu früh für einen ordentlichen Farbstudenten. Trotzdem ziehen tausende Korporierte gemeinsam durch die Nürnberger Altstadt. Ein beeindruckendes Bild in der eigentlich allein schon durch Touristen überfüllten Altstadt. Ein Straßenmusiker spielt zur Freude der Teilnehmer Studentenlieder. Aktive und Philister zeigen stolz ihre Farben, während kleine Grüppchen von Demonstranten gegen die Veranstaltung protestieren. Auch das gehört zum Thomastag.

von Arno Cincelli, basierend auf einem Artikel für die Academia (12/2011)

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